#StänderatMichel – Politik und Anekdoten

Der Schweizer Rechtsstaat ist beständig, mahlt aber auch langsam. Das gehört zu einem auf Mitwirkung vieler Kreise (Vernehmlassungen), auf einem ausgebauten Zweikammersystem und auf der direkten Demokratie basierenden Staatswesen. Langsamkeit muss aber nicht Blockade heissen. So schreiten die Reformen der Sozialversicherungen voran, wenn auch nur langsam. Blockiert scheint die Situation dagegen bei der Ausrichtung unserer Neutralität: Sie wird von gewissen Kreisen in eine nie dagewesene Absolutheit emporgehoben, was unsere Solidarität mit der der westlichen Welt behindert.

Samstagsgespräch

Am Samstag, 25. März von 11–12 Uhr lade ich ein zum Samstagsgespräch mit Aktuellem und Anekdoten aus der Session. Im Restaurant Brandenberg in Zug berichte ich von den Geschäften, Abstimmungen und Ereignissen. Danach ist das Samstagsgespräch offen für Fragen und Diskussionen unter den Teilnehmenden.

Altersvorsorge in Dauerrevision

Mit der Abstimmung zur AHV21 vom letzten September haben wir nur einen kleinen Schritt gemacht, um unsere 1. Säule der Altersvorsorge mittelfristig zu finanzieren. Bereits heute hat der Bundesrat den Auftrag, bis 2026 Vorschläge für eine längerfristige Stabilisierung der AHV zu sorgen. Dabei wäre es zielführender, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu knüpfen. Diesen Vorschlag macht die Renteninitiative der Jungfreisinnigen, für welche ich mich in meinem Votum einsetzte. Mit den Liberalen blieben wir leider in der Minderheit – noch. Denn ich glaube, dass dieser Vorschlag eine Zukunft haben wird. Dafür sind wir bei der Revision der 2. Säule (BVG-Revision) einen Schritt weiter: Die Revision nimmt die demografische Entwicklung auf, verringert die bisher massiv höheren Sparbeiträge für ältere Arbeitnehmende und berücksichtigt mit wesentlich tieferem Koordinationsabzug Personen mit kleinem oder Teilzeitverdienst.

Schweizer Neutralität  mit Sicherheit in Europa verbinden

Die Schweiz ist in der Ausgestaltung ihrer Neutralitätspolitik neu gefordert. Klar ist für mich, dass das Neutralitätsrecht, wie es international definiert ist, zwingend einzuhalten ist. Entsprechend greift die Schweiz nicht in Kriege ein. Eine andere Frage ist diejenige, ob die Schweiz an gleichgesinnte Staaten, an Demokratien, an Nicht-Kriegsparteien Waffen liefern bzw. diesen die Wiederausfuhr erlauben darf. Hier hätte eine Motion des FDP-Parteipräsidenten einen Weg aufgezeigt: Unter strengen Bedingungen könnte der Bundesrat einer klar definierten Anzahl gleichgesinnter Staaten erlauben, Schweizer Waffen weiterzuverwenden. Ich meine, wir sollten diese Staaten anstatt zu bevormunden in ihrer Sicherheitspolitik bestärken, vor allem wenn sie der europäischen Sicherheit dient, von welcher wir auch profitieren. Die Ständeratsmehrheit wollte nichts davon wissen und im Nationalrat ist bisher ein Kompromiss gescheitert.

Datenpolitik

Meine im letzten Newsletter vorgestellte Motion für ein Rahmengesetz für die Sekundärnutzung von Daten wird in Wissenschafts- und Wirtschaftskreisen stark begrüsst. Und führt in verschiedenen Foren und Podien zu anregenden Diskussionen. Zu meiner Innovationspolitik gehört es auch, die Rahmenbedingungen für eine bürgerfreundliche, effiziente und zunehmend digitale Verwaltung zu verbessern (diese Prägung nehme ich aus unserem Kanton Zug mit). Erfolgreich habe ich mich ratsübergreifend mit Kollegen aus dem Nationalrat dafür eingesetzt, dass die Verwaltung den Quellcode ihrer eigenen Software offen legen muss; schliesslich wurde die entsprechende Entwicklung auch mit Steuergeldern bezahlt (sog. Open Source Software).

Innovativ vernetzt

Auch andere Innovationsplattformen nutze ich. Die Schweiz rühmt sich, in internationalen Ranglisten zu den innovativsten Ländern zu gehören. Das ist nicht gottgegeben und hat mit den vielgerühmten Rahmenbedingungen zu tun. Diese sind zu erarbeiten. Als Volkswirtschaftsdirektor konnte ich im Kanton Zug aktiv Projekte wie die IT-Hochschule in Rotkreuz, den Zentralschweizer Innovationspark («Park Central», beide in Rotkreuz) begleiten und die Gründung des Instituts Wissen, Energie, Rohstoffe Zug (WERZ) mitverantworten. Umso mehr freut mich, dass der «Park Central» seit zwei Jahren auch Mitglied im Netzwerk «Switzerland Innovation» ist. Gerne pflege ich deshalb nach wie vor die Kontakte zu diesem Netzwerk (im Bild mit dem Initiator, Ständerat Ruedi Noser). Aus der gleichen Grundhaltung hinaus bin ich politischer «Götti» eines Austauschprojekts zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.

Geschäftsprüfungskommission in der Verantwortung

Die von mir präsidierte Geschäftsprüfungskommission (GPK) wird in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen; sie erfüllt aber eine wichtige Aufgabe als parlamentarisches Organ der Oberaufsicht. Plötzlich gelangt die GPK ins Rampenlicht: Durch die in den Medien bekannt gewordenen fraglichen Mail-Kontakte des Kommunikationsbeauftragten von Bundesrat Berset werden Forderung nach einer parlamentarischen Untersuchung (PUK) bis hin zum Rücktritt des heutigen Bundespräsidenten laut. Schnell und unaufgeregt nimmt die GPK ihre Rolle wahr, analysiert die Ausgangslage und setzt eine kleine Arbeitsgruppe zur Aufarbeitung dieser «Corona-Leaks» ein. Das mediale Gewitter nimmt ab; das Vertrauen in das Funktionieren der Institutionen scheint wieder hergestellt.

Handlungsfähigkeit in Krisen

In verschiedener Hinsicht ist das Parlament daran, die Lehren aus der Covid-Pandemie zu ziehen. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Wissenschaft früher und besser in politische Entscheidungen einbezogen werden muss. Als Kommissionsprecher lehne ich eine zu eng gefassten Motion ab; damit wurde der Weg frei, dass der Bund ein wissenschaftliches Netzwerk aufbaut, dies auf Anregung meines Postulats «Wissenschaftliches Potenzial für Krisenzeiten nutzen». Dass auch das Parlament in Krisen schneller handeln kann, hat es mit entsprechenden Gesetzesanpassungen ermöglicht: In Zukunft könnte somit in Notsituationen das Parlament auch virtuelle Sitzungen durchführen. Das ist folgerichtig: Wir müssen die Handlungsfähigkeit unserer Institutionen bewahren. Und dabei diejenigen digitalen Möglichkeiten nutzen, die wir auch von Gesellschaft und Wirtschaft erwarten.

Politische Bildung live

Wer erinnert sich nicht an eine eigene Schulreise ins Bundeshaus? Als Primarschüler überbrachten wir damals dem Zuger Bundesart Hans Hürlimann eine Petition zur Einführung der Kleinschreibung. Dies als Zeichen, dass wir uns als junge Bürger und Bürgerinnen aktiv beteiligen können. Auch heute liebe ich solche Besuche, diesmal als erfahrener Führer durchs Bundeshaus. Dieses ist voller Allegorien und Sinnbilder: An Figuren, Wappen und Bildern lässt sich das Wesen des Schweizer Bundesstaates bestens erklären. Und mit der Oberstufenklasse S3b aus Hünenberg hatte ich eine sehr interessierte Schar zu Besuch.

Grimsel gefährdet nationale Kohäsion

Im Jahr 2014 hat die Bevölkerung mit der Abstimmung FABI ein wichtiges Planungs- und Finanzierungsinstrument im öffentlichen Verkehr beschlossen. Seither werden im Parlament neue Verkehrsprojekte in Mehrjahresschritten beschlossen. Das ermöglich jeweils auch eine Gesamtschau und eine entsprechende Abwägung der Interessen. Es war deshalb irritierend, dass nun völlig isoliert ein Einzeltunnel am Grimsel vorangetrieben wurde: Unter Verletzung aller geltenden Planungsschritte hätte man hier ein Einzelprojekt bevorzugt. Ich musste hier in meinem Votum den nationalen Zusammenhalt anrufen. Dass dann eine abgeschwächte Variante mit bloss einer Projektierung (und noch nicht Finanzierung des Baus) gutgeheissen wurde, zeigt, wie gut Walliser Politiker lobbyieren können. Es kann schlichtweg nicht sein, dass solche isolierten Projekte zentrale Infrastrukturen wie den Zimmerbergbasistunnel II und den Durchgangsbahnhof Luzern gefährden.  

Freiwillig engagiert

Es ist erfreulich, wie viele Parlamentsmitglieder sich ehrenamtlich engagieren. Die Vielfalt der Einsätze (die bezahlten wie die unbezahlten) zeigt sich an den jeweiligen «Interessenbindungen» (meine: www.parlament.ch/de/biografie/matthias-michel/4309). Leider hat der Anteil der freiwillig engagierten Menschen in unserem Land abgenommen. Dieses Engagement soll unbezahlt bleiben, aber die Organisationen, welche die Freiwilligenarbeit organisieren und koordinieren, brauchen professionelle Strukturen. Diese staatlich mitzufinanzieren wäre eine wichtige Rahmenbedingung. Gerade das Schweizer Staatswesen stützt sich auf das Engagement von uns Bürgerinnen und Bürgern, auf unsere Eigenverantwortung und unser Mitwirken ohne gesetzlichen Zwang. Dieser liberalen Haltung entspringt mein Kommentar zur bundesrätlichen Antwort auf meine Interpellation zur Zukunft der Freiwilligenarbeit.

Haben Sie Fragen, Anliegen oder Kritik? Gerne stehe ich Ihnen Red und Antwort.