#StänderatMichel – Politik und Anekdoten

Die Frühlingssession 2025 wird in die Geschichtsbücher eingehen. Nicht wegen der Sachgeschäfte, sondern wegen der schon fast unglaublichen Wahl des Zuger Regierungsrats Martin Pfister in den Bundesrat. Das Bundeshaus erzitterte – und (nicht nur) Zug feierte. Schön, dass wir aus dem Zugerland und der Zentralschweiz nun dem Bundesrat etwas näher gerückt sind.

Samstagsgespräch

Kurz nach der Wahl konnte ich die wartende Zuger Schar mit einem Baarer Bier, das im Bundeshaus zum Wahlapéro aufgetischt wurde, beglücken. Gerne lade ich auch Sie ein zu einem Umtrunk anlässlich meines Samstagsgesprächs am kommenden Samstag, 29. März, von 11–12h zu Themen aus der letzten Session (und darüber hinaus) ins Restaurant Fischerstube in der Zuger Altstadt. Das Gespräch ist offen für Fragen und Diskussionen für alle Interessierten – laden Sie auch Ihre Bekannten dazu ein! Angesichts der Medialisierung sind direkte Kontakte und das persönliche Gespräch wichtiger denn je.

Verfassungsfeier

Am ersten Tag der Session erinnerte der Ständeratspräsident an das 25-jährige Jubiläum unserer heutigen Bundesverfassung aus dem Jahr 1999. In der Tat, sie ist noch jung, verglichen auch mit unserer Zuger Kantonsverfassung, die nach wie vor das Geburtsjahr 1894 trägt und sehr selbstbewusst beginnt mit «Der Kanton Zug ist ein demokratischer Freistaat». So epochal war dagegen die Totalrevision der Bundesverfassung im Jahr 1999 nicht, war sie doch nur eine Nachführung von ungeschriebenen Regeln, eine sanfte Renovation, wie auch im Abstimmungsbüchlein zu lesen stand: «Bundesrat und die Mehrheit des Parlamentes wollten das Fuder nicht überladen und wählten bewusst ein schrittweises Vorgehen». Vielleicht dämpfte dieser Pragmatismus etwas die Begeisterung: Die Stimmbeteiligung betrug nur knapp 36 Prozent.

Beeindruckende Kampagne und Kür von Martin Pfister

Als «Mister Nobody» wurde er betitelt und man schmunzelte, als Kandidat Pfister bei den ersten Medienfragen ab und zu den Joker zog und auf eine sofortige Antwort verzichtete. Das war weise und aufrichtig. Umso beeindruckender war dann die Entwicklung der folgenden fünf Wochen; es war das kürzeste und intensivste Bewerbungsverfahren, das ich je beobachtet hatte. Martin Pfister hat das Feld von hinten aufgerollt und das Bundeshaus von innen heraus erobert: Gelassen, überlegt, zielgerichtet. Statt die mediale Bühne hat er mit allen Parlamentsmitgliedern das persönliche Gespräch gesucht und so bewiesen: Der neue Bundesrat baut auf Beziehungen und gegenseitiges Vertrauen. Ich meine, das ist Martins Erfolgsrezept, das ihn als guten Bundesrat begleiten wird. Und aus dem Unbekannten wird ein Hoffnungsträger: „Der Unbekannte setzt sich gegen den Lobbyisten durch“ und „Eine Sensation und eine Chance“ titeln die Medien am Wahltag.

Streit um Steuergerechtigkeit

Heute werden in der Schweiz Verheiratete gemeinsam besteuert. Gehen beide Personen einer Erwerbstätigkeit nach, müssen sie wegen der Progression höhere Bundessteuern bezahlen als Konkubinatspaare mit getrennten Veranlagungen. Dies erscheint ungerecht, es wird von der «Heiratsstrafe» gesprochen, weshalb die von den FDP Frauen eingereichte Initiative für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung auch «Steuergerechtigkeits-Initiative» heisst. Klar gibt es auch andere Modelle zur Abschaffung dieser Ungerechtigkeit; so haben die Kantone mit anderen Methoden (z.B. Ehepaartarif) dieses Problem gelöst. Im Bund besteht es noch. Für mich ist klar, dass die Besteuerung nicht davon abhängen kann, ob nun ein zusammenlebendes Paar verheiratet ist oder nicht. Die stundenlangen Debatten drehten sich vornehmlich um die Frage, wie das Modell auszugestalten sei. Und fast ein jedes Votum, ob für oder gegen diese Vorlage, berief sich auf die Steuergerechtigkeit. Die sehr knappe Zustimmung Individualbesteuerung erst zum Eintreten im Ständerat zeigt, dass der Kampf dafür weitergeht: Ob die Vorlage die Schlussabstimmung übersteht, ist noch offen. Deshalb zeigt sich die FDP kämpferisch.

Schuhreparatur nach sizilianischer Art

In Zug bringe ich meine Schuhe zu «Da Giovanni», das von Sohn Michael Sergi geführte Geschäft. In Bern hatte mich die Bundesratswahl derart aus den Schuhen gehauen, dass ich subito eine Schuhreparatur brauchte. In Nähe Bundeshaus finde ich «Barbarino». Neben der Reparatur geniesse ich noch einen Dialog auf Italienisch (so etwa, wie bei meinem Berner Barbiere Roberto), hier aber im sizilianischen Dialekt: Der Inhaber schwärmt von seiner Heimatstadt Enna, die mir von meiner Maturareise her in bester Erinnerung ist. Ein Grund mehr, diese Stadt inmitten der Insel bei der geplanten Sizilienreise zu besuchen

Feiertag für Institutionen

Jahrzehnte nach den Auseinandersetzungen um den neuen Kanton Jura fand in dieser Session ein letzter Meilenstein statt. Mit der Gründung des Kantons Jura im Jahre 1979 wurde die Jurafrage nämlich noch nicht vollständig geklärt. Separatistische Bewegungen und teilweise auch die jurassischen Behörden setzten sich fortan für den Anschluss des Berner Juras an den neuen Kanton ein. Das führte zu Spannungen zwischen dem Kanton Bern und dem Kanton Jura, die mitunter gewaltsam eskalierten. Erst im Jahr 2024 entschied sich die Gemeinde Moutier zur Zugehörigkeit zum Kanton Jura. Dieser Kantonswechsel musste nach den Abstimmungen in den Kantonen Bern und Jura nun durch das Parlament bestätigt werden. Mit der einstimmigen Zustimmung im Ständerat findet der grösste interkantonale, institutionelle und territoriale Konflikt in der Geschichte unseres Bundesstaates ein gutes Ende. Abschliessend meinte Bundesrat Jans, dieser historische Schritt sei auch Feiertag für ein Land, das die Institutionen pflege und Lösungen im Einvernehmen finde.

 

Parlamentarischer Showdown zur CS-Krise

Der spannende Moment liegt schon vier Monate zurück: Mitte Dezember veröffentlichte die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) ihren über 500-seitigen Bericht zur Geschäftsführung der Bundesbehörden im Kontext der CS-Krise. Die Beratung dieses Berichts mit seinen Empfehlungen und Vorschlägen (Motionen und Postulate) wurde nun in der Frühlingssession geführt. In meinem Votum präsentierte ich die Umstände, welche zur Krise führten und wies auf den eingeschränkten Untersuchungsauftrag der PUK hin: Diese hatte auftragsgemäss das Verhalten der Behörden zu untersuchen, nur indirekt konnte die PUK auch das Verhalten der Führungsorgane der Credit Suisse beleuchten, was die Bundespräsidentin zur schelmischen Bemerkung verleitete: «Die PUK hat die Feuerwehr untersucht und nicht die Brandstifter, obwohl das nicht heissen soll, dass nicht auch die Feuerwehr Fehler machen kann, aber die Brandstifter sind nun irgendwo in Sicherheit». Umso wichtiger war es mir zu betonen, dass die Verantwortung für den riesigen Vertrauensverlust in die Credit Suisse und für deren Schieflage, die dann im März 2023 existenzbedrohend wurde, beim Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung der Credit Suisse lagen. Den Behörden konnten keine mitverursachenden Fehler vorgehalten werden, auch wenn die PUK Verbesserungspotenzial auf mehreren Ebenen fand.

Der Marsch der Hornisse

In einer Interpellation «Die asiatische Hornisse ist dramatisch im Vormarsch» wird das Problem dieser invasiven und aggressiven Insekte thematisiert, die sich mangels natürlicher Feinde in der Schweiz ausbreitet. Diese Hornissennester verbreiten sich schneller, als dass die Behörden zu handeln vermögen, was Kritik hervorruft. Dieses Insekt ist nicht nur schädlich für die Imkerei, sondern auch für weitere Bestäuber wie Wildbienen, Hummeln und andere Insekten sowie für die Landwirtschaft und die Biodiversität. Das Problem ist ernst, der Titel der Motion («im Vormarsch») lässt etwas schmunzeln: Seit wann marschiert die Hornisse?

Kampf um Kosten

Die steigenden Gesundheitskosten und die damit verbundene Prämienlast bleiben ein Thema, auch nach der Ablehnung der Prämien-Entlastungs-Initiative im Juni 2024. Oder gerade deshalb: Diese Initiative wäre eine Symptombekämpfung gewesen und hätte keinen Anreiz zur Kostensenkung bewirkt. Im Gegenteil dazu nun das Kostendämpfungspaket (2), das nach langem Ringen zwischen den beiden Kammern verabschiedet worden ist. Ein Hauptteil des erwarteten Sparpotenzials mit rund 400 Millionen Franken betrifft die Medikamentenpreise. Hier soll die Pharmaindustrie bei Medikamenten mit grossem Marktvolumen künftig Mengenrabatte gewähren müssen. Was darüber hinaus an Kosteneinsparungen möglich ist, bleibt schwer abzuschätzen.

Rechtsstaat zwischen den Fronten

An zwei Halbtagen debattierte der Ständerrat zwei schwierige Themen, zu welchen mehrfach Vorstösse eingereicht worden waren: Die Gestaltung der Asylpolitik in der Schweiz und die Frage der Unterstützung der Schweiz für das palästinensische Volk im Gaza. Wir berieten über ein Dutzend von zum Teil angenommenen Motionen, die diverse Verschärfungen der Asylpolitik forderten. Als Leitschnur teile ich die FDP-Haltung «Hart, aber fair»: Eine zu lasche Politik lockt unechte Flüchtlinge an. Umgekehrt heisst Fairness, dass wir die menschen- und völkerrechtlichen Grundsätze, zu denen sich die Schweiz verbindlich bekennt, auch gegenüber zuwandernden Menschen einhalten. Diese Grundsätze sind bei der Umsetzung der politischen Forderungen zu beachten, forderte ich in meinem Votum. Da es auch in der Nahostkrise aufgrund der Hamas-Terroranschläge zu unendlichem Leid im Gaza-Streifen gekommen ist, kam die UNO-Hilfsorganisation UNRWA in den Fokus. Einerseits sichert sie für Millionen von Menschen humanitäre Hilfe und Bildung, andererseits ist das Vertrauen in diese Organisation wegen Verbindungsvorwürfen zu Hamas angeschlagen. In meinem Votum als Kommissionssprecher betonte ich einerseits die Notwendigkeit einer Nachfolgeorganisation, gepaart mit der Verantwortung der Gaststaaten der Flüchtlinge. Andererseits soll dem Bundesrat noch Spielraum bleiben, direkte humanitäre Hilfe über die UNRWA zu leisten, bis eine verlässliche Alternative zur Verfügung steht. Diesen Spielraum hat der Ständerat dem Bundesrat nun belassen.

Die grösste Feier zum Abschluss

Zum Abschluss der Session begibt sich die offizielle Schweiz nach Baar, wo tüchtig gefeiert wird. Tausende Menschen begrüssten und beklatschten Martin Pfister – und das ging unter die Haut. Von Insidern hörte ich, so viele Feiernde habe man an einer Bundesratsfeier noch nie gesehen. Diese geballte Energie kann Martin für seine anspruchsvolle Aufgabe brauchen. Und auch mir tat es gut zu spüren, wie getragen er ist. Bewusst wurde mir, wie wichtig die regionale Herkunft der Bundesratsmitglieder ist: Nicht nur wegen der unterschiedlichen Prägung, sondern auch, weil die Bevölkerung der jeweiligen Regionen am Tun der «Ihrigen» in Bern interessiert ist. Das stärkt das politische Interesse. Zu diesem Engagement rief auch Martin Pfister in seinem Schlussappell auf: «Bleiben Sie zuversichtlich, engagieren Sie sich in der Gesellschaft. Der grösste Feind der Demokratie ist die Gleichgültigkeit.»

Haben Sie Fragen, Anliegen oder Kritik? Gerne stehe ich Ihnen Red und Antwort.