#StänderatMichel
Politik und Anekdoten – Herbst 2023

Im Hinblick auf die Wahlen

Wahl ohne Wahlkampf?

Noch bevor in Zug und anderen Kantonen die heisse Phase des Wahlkampfes für die National- und Ständeratswahlen vom 22. Oktober beginnt, ist ein Kollege bereits gewählt, und zwar ohne Kampf: Mangels Gegenkandidaturen wurde der Obwaldner Ständerat Erich Ettlin in stiller Wahl als gewählt erklärt. Im ersten Moment habe ich ihn beneidet: Wiederwahl ohne grossen Aufwand an Zeit und Geld. Auf den zweiten Blick bin ich dankbar, dass ich mich einem Wettbewerb stellen darf. Erstens ermöglicht ein Wahlkampf, Rechenschaft abzulegen über das, was ich in Bern tue, und eröffnet viele Begegnungen (Bild: am Dorfmarkt in Rotkreuz). Zweitens ist die Legitimation, als Zuger Standesvertreter zu wirken, nach einer erfolgreichen Wahl umso grösser.

Wettbewerb der Ranglisten

Gerade auf die Wahlen hin entsteht ein regelrechter Wettbewerb von Profilen, Spidern und Positionsdarstellungen der einzelnen Kandidierenden. Ebenso beliebt sind Ranglisten, die die Bedeutung und Wirksamkeit der Politikerinnen und Politiker aufzeigen. Je nach Aspekten und Gewichtungen findet man sich selber an der Spitze oder im Mittelfeld. Zwei Beispiele: Im Erfolgsindex der Zentralschweizer Parlamentsmitglieder belege ich den zweiten Platz. Auf den ersten Blick etwas weiter hinten finde ich mich in einem gesamtschweizerischen Einflussindex: Mein 38. Rang von 246 Parlamentsmitgliedern wird aber viel besser, wenn ich mich mit denjenigen vergleiche, die wie ich erst seit vier Jahren im Rat sind: Dort liege ich an sechster Stelle aller «Neuen». Schliesslich bezeugt eine andere Beurteilung, wie gut die beiden Zuger Ständeräte ihre Bevölkerung vertreten, gemessen am Abstimmungsverhalten der Zuger Durchschnittswählerinnen und -wähler. Hier belegen die Zuger Ständeräte den guten zweiten Platz. Grund genug, die beiden am 22. Oktober wiederzuwählen!

Aus der Session

Gesundheitskosten: Symptom- oder Ursachenbekämpfung?

Die steigenden Krankenkassenprämien gehören mittlerweile zu den grössten Sorgen der Bevölkerung. Angesichts des teilweise markanten Wachstums ist dies verständlich, wenngleich der Prämienanstieg primär die nach der Pandemie wieder stark gestiegenen Kosten für medizinische Leistungen spiegelt. Zwei Initiativen, die behaupten, Gegensteuer geben zu wollen, schiessen am Ziel vorbei und werden vom Parlament abgelehnt. Das Parlament schlägt deshalb zwei indirekte Gegenvorschläge vor. Beim Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative geht es um die Einführung von Kosten- und Qualitätszielen. Die Herausforderung besteht darin, dass parallel dazu noch an Kostendämpfungspaketen gearbeitet – und die Steuerung des Gesundheitswesens noch komplexer wird. Mit der Prämien-Entlastungs-Initiative geschieht zulasten der Kantone für teures Geld nur Symptombekämpfung. Immerhin wird das Kostenvolumen der Initiative von über 4 Milliarden Franken nun dank des Gegenvorschlages auf unter 400 Millionen Franken gedrückt. Ich war gleichwohl dagegen, denn die eigentliche Ursachenbekämpfung liegt unter anderem in der Reduktion der Spitäler, wie der Kanton Zug dies vor Jahrzehnten vorgemacht hat (und deshalb vergleichsweise tiefe Krankenkassenprämien kennt), und auch in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Schliesslich auch in der Eigenverantwortung, eine günstige, dafür weniger ausgebaute Grundversicherung mit einem bezahlbaren erschwinglichen Versicherungsmodell wählen zu können, wie das die FDP vorschlägt.

 

Wohnraum: Zuger Modell für die ganze Schweiz

Auch die Knappheit und die Preise für Wohnraum stehen weit oben auf dem Sorgenbarometer. Zwar ist der Wohnraum die Domäne der Gemeinden und Kantone. Doch hat der Bund einen verfassungsmässigen Auftrag zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus (Art. 108 Bundesverfassung). Man weiss, dass hier primär an der Verdichtung im Siedlungsgebiet angesetzt werden muss. Wir haben hier ein Stadtzuger Vorbild: In Bebauungsplänen oder in gewissen Zonen wird ein Ausnützungszuschlag gewährt, wenn gleichzeitig ein bestimmter Anteil an preisgünstigem Wohnraum geschaffen wird. Es freut mich, dass der Ständerat meiner Motion «Mit Verdichtung und gemeinnützigem Wohnungsbau gegen die Wohnungsnot» gefolgt ist. In meinem Votum zeige ich auf, dass dieses Zuger Modell ein marktwirtschaftliches Instrument mit gemeinnütziger Wirkung umfasst.

Zwei Nationalfeiertage für 1291 und 1848?

Das ganze Jahr über lag die erste Bundesverfassung unter der Kuppel des Bundeshauses. Und am 12. September war der Feiertag der Gründung unseres Bundesstaates im Jahr 1848 – eine Pioniertat, welche den Ausgleich zwischen Kantonen und Bund, Kleinen und Grossen schaffte und den Grundstein unseres heutigen föderalen Rechtsstaats mit zwei gleichberechtigten Kammern (National- und Ständerat) schuf. Um die Bedeutung dieses Gründungsakts zu würdigen, soll am 12. September ein zweiter Bundesfeiertag eingeführt werden, so ein Vorschlag aus dem Nationalrat. Ich finde, wir sollten nicht zweimal feiern, sondern einmal. Beides verdient Respekt und Erinnerung: Das jahrhundertlange Kämpfen um Selbständigkeit einzelner Kantone und deren Bündnisse als auch das Kunststück, nach dem Sonderbundskrieg von 1847 einen Bundesstaat zu gestalten. Beides können wir am 1. August feiern, ohne einen zweiten Feiertag definieren zu müssen (so auch in meinem Politblog). Zu Recht lehnt der Ständerat deshalb eine Zweiteilung der Feiern ab, betont aber gleichzeitig die hohe Bedeutung des Gründungsjahres 1848.

Hoher Zuger Besuch im Palais fédéral

Unsere Staatsgründung im Jahr 1848 lockte die föderale Schweiz ins Bundeshaus: Da wimmelte es von Farben dank der Weibelinnen und Weibel aus allen Kantonen in ihren prächtigen Mänteln mit Hut und Zepter. Dank deren Farben erkannte man leicht ihren Kanton. Und so traf ich schnell auf unseren Kantonsratspräsidenten Karl Nussbaumer mit Weibelin Pascale Schriber-Iten. Ein schönes Zusammenkommen unter der Kuppel. Es war uns so feierlich zumute wie in einem kleinen Palast. Nicht von ungefähr heisst das Bundeshaus bei den Westschweizern «Palais fédéral».

Verbrennungsmotor brennt aus

Unsere Mobilität ist hoch, aber auch ihre Umweltfolgen: Allein der Strassenverkehr verursacht in der Schweiz rund 40% der CO2-Emissionen. Angesichts dessen hat der Verbrennungsmotor langsam ausgedient. Die Europäische Union gibt den Takt vor: Ab 2035 sind keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen. Der Ständerat definiert in der Revision des CO2-Gesetzes für die Schweiz einen Absenkpfad. So dürfen die ab 2030 neu zugelassenen Autos noch 45% der Treibhausgas-Emissionen von 2021 ausstossen. Aus meiner Sicht hätte man hier mit nur noch 25% des Ausstosses etwas ambitionierter sein dürfen. Doch das Gesetz legt nur das Minimum fest; es liegt nun an den Autoimporteuren und -käufern, in Eigenverantwortung CO2-arme oder -freie Autos zu bevorzugen.

Innovative Mobilität

Neben der Reduktion des CO2-Austosses im Verkehr sind innovative Mobilitätslösungen gefragt: Es gilt, nachfrageorientierte, intelligente Formen des kollektiven Verkehrs zu fördern, wie Ruftaxis, Shared Mobility, intermodaler Verkehr usw.). Diesem Ziel dient eine Motion für einen Aktionsplan zur Förderung innovativer und klimaneutraler Mobilitätsangebote, die vom Ständerat angenommen worden ist. Ich beteiligte mich an Workshops der Expedition Zukunft an deren Erarbeitung und hielt ein flammendes Votum für zukunftsgerichtete Mobilitätsformen, die nicht mehr in die Kategorie öffentlicher oder privater Verkehr passen. Meine These, die ich schon vor 20 Jahren aufgestellt habe, wird langsam Realität: Der öffentliche Verkehr wird immer individueller, der private Verkehr immer kollektiver.

Junges Interesse

Wie erfrischend: Gymnasiastinnen des Collège «André Chavanne» aus Genf: Mutig und offen sprechen sie uns Parlamentsmitglieder auf dem Bundesplatz an. Sie haben ganz aktuelle Fragen, die ich zum Glück auch auf Französisch beantworten kann. In Zugerdeutsch geht es zwei Wochen später weiter: Ich führe Sekundarklassen aus Walchwil durchs Bundeshaus – immer wieder ein Erlebnis, wie sich junge Menschen für unser politisches System interessieren. Auch ich erinnere mich: Der Moment, als uns der damalige Zuger Bundesrat Hans Hürlimann am Eingang des Bundeshauses empfing – und wir Fünftklässler ihm eine von uns unterzeichnete Petition zur Einführung der Kleinschreibung in der deutschen Sprache überreichten. Für den Sprachgebrauch hatte das zwar keine Wirkung, aber für mich war es vielleicht die Initialzündung für eine politische Laufbahn.