#StänderatMichel – Politik und Anekdoten

In der Herbstsession haben beide Räte wieder im Bundeshaus getagt. Die Plexiglas-Schutzwände haben uns nicht am Debattieren gehindert, vielmehr berieten und beschlossen wir einige Schwerpunktgeschäfte. Ich berichte davon, aber auch von Zwischentönen und Geschichten, die das Leben schreiben. Als «Trailer» für den Schnellkonsum können Sie sich das Video von 1.5 Minuten ansehen.

Innovationsförderndes CO2-Gesetz

Die Umwelt bewegt auch die Politik im Bundeshaus. Nach einem gescheiterten Anlauf vor einem Jahr (wegen einer unheiligen Allianz von rechts und links) haben beide Räte nun das CO2-Gesetz verabschiedet. Es enthält das ambitiöse Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 zu halbieren; dies mit dem Fernziel einer klimaneutralen Produktion und Nutzung von Energien. Selber unterstütze ich diese Stossrichtung, und es freut mich, dass auch die FDP dieses Gesetz massgeblich mitgeprägt hat und mitträgt. Zur Umsetzung werden Innovationen erforderlich sein. Da kann die Schweiz als Innovationsweltmeisterin einmal mehr zeigen, was sie kann!

Power to the People

Angesichts der Schlussberatung des CO2-Gesetzes waren öffentliche Kundgebungen der Klima-Bewegung absehbar. Dass diese aber in einer nächtlichen Aktion den ganzen Bundesplatz besetzen und in eine Art Camping verwandeln würden, war eher überraschend. Ein Überraschungseffekt zur Sensibilisierung ist aus meiner Sicht legitim. Nicht mehr aber, wenn die Illegalität dann tagelang abgefeiert wird, so dass auch die regelkonformen Nutzer, wie zum Beispiel der Gemüsemarkt, darunter zu leiden haben. Anders als vereinzelte Politikerinnen und Politiker lasse ich mich aber nicht provozieren, sondern höre mir im Gespräch die Beweggründe für diese Aktion an: In der Klimapolitik gehe es ihnen viel zu langsam, antworten sie. Gleichzeitig fordern sie eine «partizipative Demokratie» und damit noch breitere und aufwändigere Entscheidungsverfahren, was wieder mehr Zeit brauchen würde. Ja, das Leben ist nicht widerspruchsfrei, meine ich. Auch nicht unter den Klima-Aktivisten.

Schmunzeln muss ich beim grossen Transparent «Power to the People». Dieser Aufruf, dass dem Volk die Macht zukommen soll, stammt offensichtlich aus einem anderen Land. In der Schweiz kann das Volk dank ausgebauten Volksrechten auf allen drei föderalen Ebenen (Gemeinde, Kanton, Bund) mitgestalten und mitentscheiden. Das haben wir eben am Abstimmungssonntag wieder erlebt. Und regelmässig stellen sich Politikerinnen und Politiker zu Wahl bzw. Wiederwahl. Entsprechend fühle ich mich beim Aufruf «Power to the People» als vom Volk Gewählter bestätigt.

Bildung und Forschung hoch im Kurs

Um Zukunft und Perspektiven für unsere junge Generation geht es bei mehreren Vorlagen für Bildung, Forschung und Innovation: Der entsprechende vierjährige Zahlungsrahmen ist mit 28 Milliarden Franken der grösste des Bundeshaushalts. Ergänzt wird dieser mit der internationalen Zusammenarbeit und Mobilität in der Bildung und dem Kredit für die Teilnahme der Schweiz am EU-Forschungsprogramm «Horizon».

In der Überzeugung, dass wir unsere hervorragende Wissenschaft verstärkt für die Bewältigung künftiger Krisen nutzen sollen, habe ich ein Postulat eingereicht: «Wissenschaftliches Potenzial für Krisenzeiten nutzen». Erfreulicherweise hat der Ständerat diesem Vorschlag zugestimmt, so dass der Bundesrat beauftragt ist, darzulegen, wie ein interdisziplinäres wissenschaftliches Netzwerk oder Kompetenzzentrum für Krisenlagen geschaffen werden kann. Zur Debatte.

Street Style

Derweil man innerhalb des Bundeshauses nach einigen Monaten im Amt als Ständerat erkannt wird, ist dies auf dem Bundesplatz noch nicht der Fall: Zwei Studentinnen fragen, ob sie mich fotografieren dürften. Ich dachte, sie wollten einen Politiker vor dem Bundeshaus ablichten. Es ging aber nicht darum, sondern sie haben mich als Repräsentanten des aktuellen städtischen Kleidungsstils ausgewählt. Offenbar waren sie durch meine französische Casquette und meinem trendigen Lederrucksack angetan, mich in ihr Kunstprojekt «Street Style» aufzunehmen. Im Gespräch zeigten sie sich dann respektvoll gerührt, mit einem «wichtigen Politiker» zu sprechen. Ob ich denn «berühmt» sei, wollten sie wissen. Ich bejahte für den Kanton Zug und liess die Frage für den Rest der Schweiz offen…

Politische Anerkennung für Kultur

Die Herbstsession ist reich an Kulturpolitik. Beide Räten beraten die sogenannte Kulturbotschaft, in der der Bund seine vierjährige Strategie mit entsprechender Finanzierung festlegt. Mir wird bewusst, dass der grösste Teil der staatlichen Kulturförderung in Gemeinden und Kantonen geschieht. Und dann gibt es die wichtige private Unterstützung, sei es mit Geld oder mit dem immensen freiwilligen Engagement (wie auch im Sport und im Sozialbereich). Schliesslich verdient die bedeutsame Kreativwirtschaft eine Erwähnung. Das bringe ich in meinem Votum als Kommissionssprecher zum Ausdruck.

Die hohe politische Anerkennung des Kulturschaffens zeigt sich auch in den vom Parlament beschlossenen Stützungsmassnahmen im Rahmen des Covid-19-Gesetzes. Es wird hart gerungen, um sachgerechte Lösungen für das ganze Ökosystem Kultur zu finden. Dabei gehen auch Sektoren wie die Schausteller nicht vergessen.

Weltweiter Schutz für Zuger Kirsch

Natürlich helfe ich auch mit, unsere Zuger Chriesi in Bern bekannt zu machen und bringe ab und zu eine Kirschtorte dorthin. Dass sich der Zuger Kirsch sogar im Ratssaal bemerkbar macht, zeigt folgendes Beispiel: Der Bundesrat unterbreitet eine sehr technisch anmutende Vorlage mit dem Titel «Genehmigung der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben und zu ihrer Umsetzung (Änderung des Markenschutzgesetzes)». Es geht hier aber um einen handfesten Schutz typischer Schweizer Produkte wie Bündnerfleisch, Vacherin Mont-d’Or und Swiss Watches. Man will sich gegen Nachahmungen und sonstige Missbräuche schützen. Ausdrücklich genannt in dieser Reihe ist auch der Zuger Kirsch. Das ist Auftrag genug, diesem Abkommen zuzustimmen!

Entlastungen für KMU statt staatliche Förderprogramme

Warum wird auf die Einfuhr von geräuchertem Wels ein Zoll erhoben, auf Haifischflossen nicht? Jedes tarifbelastete Zollgut muss sodann an der Grenze gewogen werden und je nach Gewichtskategorie gibt es andere Zolltarife. Unnötig teuer und kompliziert! Das alles soll nach Meinung des Ständerates Vergangenheit sein: Wir folgen dem bundesrätlichen Vorschlag, sämtliche Zölle auf Industrieprodukten per 1. Januar 2022 aufzuheben. Zu hoffen ist, dass der Nationalrat sich dem anschliessen wird. Denn gerade jetzt ist es wichtig, die Unternehmen (und davon Tausende von KMU) von administrativen und finanziellen Lasten zu befreien. Dies habe ich in meinem Votum zum Ausdruck gebracht. Das ist jedenfalls besser, als wegen der Krise staatliche Konjunkturförderprogramme aufzustarten. Dem bisherigen linken Widerstand gegen die Aufhebung der Zölle kann man die Ungleichbehandlung der Ware nach Geschlechter entgegenhalten: Auf die Einfuhr von 100kg Blusen/Hemdblusen aus synthetischen oder künstlichen Fasern für Frauen sind Fr. 406.- zu bezahlen, für dieselbe Einfuhr von Herrenhemden nur Fr. 292.-! Diese Verteuerung von Kleidern für Frauen ist doch nicht gerecht.

Bio und Swissness selbst bei Cannabis

Die Frage der Freigabe von Cannabis für den straflosen Konsum ist politisch heikel: Einerseits kann das bestehende Konsumverbot nicht durchgesetzt werden, und die Illegalität birgt auch Gesundheitsgefahren. Andererseits soll die Politik kein falsches Zeichen setzen. Vor diesem Spannungsverhältnis hat das Parlament nun eine Gesetzesanpassung bewilligt. Diese erlaubt die Durchführung von örtlich, zeitlich und sachlich begrenzten wissenschaftlichen Pilotversuchen mit Cannabis, um Erkenntnisse über die Auswirkungen eines geregelten Umgangs mit Cannabis zu nicht medizinischen Zwecken zu gewinnen. Die Pilotversuche unterliegen strengen Bedingungen: Sie müssen den Gesundheits- und Jugendschutz, den Schutz der öffentlichen Ordnung sowie die öffentliche Sicherheit gewährleisten. Und vom Parlament wurde noch eine «Bio-Swiss-Klausel» eingeführt: Man darf «ausschliesslich Cannabisprodukte verwenden, die Schweizer Herkunft sind und den Regeln der Schweizer Biolandwirtschaft entsprechen». Nach dem Motto: Wenn schon eine Ausnahme von der Legalität, dann mindestens Bio und Swiss!

Crypto Nation Switzerland

Vor lauter Covid geht Crypto fast unter: Gemeint ist die Entwicklung der Blockchain-Technologie, die auch einen entsprechenden regulatorischen Rahmen braucht, in anderen Worten: Unsere heutige Gesetzgebung ist nicht darauf ausgerichtet, dass zum Beispiel Wertpapiere in digitaler Form gehandelt werden können. Mit je einstimmigen Beschlüssen von National- und Ständerat wird das Schweizer Recht blockchain-tauglich. Die neue Gesetzgebung bildet den fortschrittlichen Rahmen für Dienstleistungen, die die neuen Technologien nutzen, weshalb die Schweiz zu Recht als «Crypto Nation» gehandelt wird. So schlank und rank dieses Gesetz ist, so kompliziert ist der Name dieser Gesetzesänderung: «Anpassung des Bundesrechts an die Entwicklung der Technologie verteilter elektronischer Register.» Als Ständerat des Zuger «Crypto Valley» stehe ich innovativen Technologien besonders offen gegenüber und freue mich, dass die Schweiz damit vielen innovativen Unternehmen einen guten Standort bietet. Das habe ich auch in einem Interview zu Ausdruck gebracht.

Mehrsprachigkeit zum Schmunzeln

Ziel des «Tages der Mehrsprachigkeit» ist es, den Austausch und das Verständnis zwischen Menschen aus verschiedenen Sprachgemeinschaften zu fördern und den sprachlichen und kulturellen Reichtum der Schweiz aufzuzeigen. Wir werden vom Ratspräsidenten ermutigt, uns in einer anderen Landessprache auszudrücken: «Es ist alleweil besser, vielleicht nicht ganz perfekt in einer Fremdsprache zu sprechen, als perfekt zu schweigen.» Heiterkeit findet ein anschliessendes Votum eines Ratskollegen. Es geht um die Technik der Güllenausbringung. Der Redner beginnt wunschgemäss in anderer Landessprache: «Signor presidente, signor vice-presidente della Confederazione – und damit ist schon fertig mit der Fremdsprache, weil das Schlüsselwort dieses Geschäfts «Schleppschlauch-Güllenausbringverfahren» heisst; und dazu fand ich einfach keine adäquate Übersetzung».

Fazit dieser Anekdote und der ganzen Session: Politisieren heisst auch, zuzuhören, sich gegenseitig zu verstehen und sich verständlich auszudrücken.

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