#StänderatMichel – Politik und Anekdoten

Nicht jede Session ist gleich befrachtet. So wälzte der Nationalrat in einer achtstündigen Monsterdebatte das Zollgesetz mit Unterlagen von rund 900 Seiten (Berichte und Gesetzesvorschläge). Demgegenüber hatten wir im Ständerat diesmal keine grossen Brocken. Aber auch einzelne Vorstösse können Grundsatzdebatten auslösen, wie diejenige zur Asylpolitik oder zur Zukunft von Kernkraftwerken. Ansonsten liess das Programm Zeit für viele Besprechungen und Anlässe ausserhalb des Ratssaals. Und zum Abschluss der Session konnte ich mich noch zur Europapolitik in der «Arena» von SRF einbringen.

Samstagsgespräch

Gerne diskutiere ich mit Ihnen diese und andere Punkte am Samstagsgespräch vom 23. März um 11 Uhr im Restaurant Schiff in der Zuger Altstadt.

Asylpolitik: Hart, aber fair

Um den echten Flüchtlingen Platz zu bieten und so die humanitäre Tradition der Schweiz weiterzuführen, muss entsprechend die Anwendung unseres Asylrechts streng und der Vollzug, so zum Beispiel die Rückführung von Personen ohne Aufenthaltsrecht in der Schweiz, konsequent sein. Diese Politik «hart, aber fair» in den Worten der FDP unterstütze ich. So habe ich auch alle entsprechenden Vorstösse in der Session unterstützt – mit Ausnahme eines Einzelpunktes (in der Motion 23.3533), da er mir unfair erscheint und unseren verfassungsrechtlichen und internationalen Verpflichtungen widerspricht: Vulnerable Personen (z.B. Familien mit kleinen Kindern, Kranke) können unter Umständen nicht ins Land, aus dem sie zureisen, zurückgeschickt werden (von ihnen geht auch kein Sicherheitsrisiko aus) – und diese Regel wollte die Motionsforderung streichen. Diese rechtsstaatlich und humanitär fragwürdige Änderung wurde in der vorberatenden Kommission einzig von der SVP unterstützt. Zusammen mit der Kommissionsmehrheit unterstützte ich sie auch nicht. Im Nachhinein wurde meine Haltung zum Teil kritisiert, da ich im Rat schliesslich der einziger FDPler war, der dieser Kommissionsmeinung folgte und damit das Bild einer nicht geeinten FDP abgab. Gerade als Liberaler fühle ich mich aber unserem Rechtsstaat verpflichtet. Und gerade die Schweiz pocht international auf die Einhaltung der Regeln und auf ihre humanitäre Tradition. Ich vertrat und vertrete somit diese Schweizer Werte; das gehört auch zu meinem Verständnis von Integrität.

Erfindungsweltmeister Schweiz

Die Schweiz ist ein weltweit führender Innovationsstandort. Ein Element davon sind die Patentanmeldungen, bei welchen unser Land Weltspitze ist. Damit das so bleibt, müssen auch die Rahmenbedingungen, hier das Patentrecht, für die Zukunft ertüchtigt werden. Mit einer Revision des Patentgesetzes soll die Qualität und die Attraktivität des Schweizer Patentrechts im europäischen und internationalen Kontext gesteigert werden. Mit voller Überzeugung konnte ich in meinem Votum die Haltung unserer Kommission vertreten. So soll die Erfolgsgeschichte von bahnbrechenden Schweizer Erfindungen, (Beispiele: Sparschäler Rex, Reissverschluss und Klettverschluss, Cellophan, Nescafé,  World Wide Web) weitergeschrieben werden können.

Schnecken als Nutztiere?

Wer einen Garten hat, empfindet Schnecken als Schädlinge, vor denen Salate und andere Gewächse geschützt werden müssen. Schnecken werden jedoch zunehmend als kulinarischer Leckerbissen entdeckt. Entsprechend verlangt eine Motion, dass die Schnecke als Nutztier anerkannt und deren Zucht zur Landwirtschaft zählen soll. Damit würden Anlagen zur Schneckenzucht in der Landwirtschaftszone erlaubt. Ja, wo denn sonst, wenn nicht in der Landwirtschaftszone sollen Schnecken gezüchtet werden? Das Parlament folgte dieser Logik und lässt in Zukunft kleine Anlagen zur Schneckenproduktion auf einem Landwirtschaftsbetrieb zu. Das ist ein kleines Beispiel dafür, welche Bedeutung den Tieren im Bundeshaus zukommt.

Abkehr von fossilen Energiequellen: Kernkraft mitdenken

Ein Postulat ist eigentlich nur ein Auftrag an den Bundesrat, eine Gesetzesanpassung oder eine andere Massnahme zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten. Ein Entscheid ist damit nicht gefällt, vielmehr geht es vorerst einmal darum, Entscheidungsgrundlagen bereitzustellen. Gleichwohl können sich an solchen Postulaten Grundsatzdebatten entfachen, wie beim Postulat 23.4152 betr. Weiterbrieb der bestehenden Kernkraftwerke. In einem Punkt geht es hier darum, dass der Neubau von Kernkraftwerken als mögliches Szenario beschrieben wird, aber nur dann, wenn der Ausbau anderer emissionsarmer Kapazitäten zu langsam vorankommt. Ich stimmte diesem Postulat zu, da die wissenschaftlichen Grundlagen dies nahelegen: In einer ETH-Studie wurde die Notwendigkeit auch neuer Kernkraftanlagen dargelegt, wenn die Ziele der Schweiz zur CO2-Reduktion erreicht werden sollen, selbst wenn alle heute geplanten Solar- und Windanlagen gebaut werden. Gleichzeitig muss meines Erachtens aber nachgewiesen werden, dass wird die AKW-Abfälle in der Schweiz sicher lagern können. Neue Technologien, die auf Kernspaltung oder -fusion beruhen, zum vornherein zu verbieten, verhindert jede Weiterentwicklung. Deshalb ist für verlässliche Entscheidungsgrundlagen ein entsprechender Bericht zu erarbeiten.

Energie- und Rechtssicherheit mit neuen Verträgen mit der EU

Eine verlässliche Versorgungssicherheit in der Schweiz hängt vom Umgang mit der Winterstromlücke ab; bekanntlich muss die Schweiz in den Wintermonaten Strom importieren. Umso wichtiger ist hier ein verlässlicher Rahmen mit der Europäischen Union. Ein Stromabkommen ist Teil des Verhandlungspaketes des Bundesrates. Das verdient grundsätzlich Unterstützung: Als Mitglied der Aussenpolitischen Kommission (APK-S) habe ich aktiv an der entsprechenden Stellungnahme der APK-S mitgearbeitet: Ein neues Abkommen würde nicht nur Energiesicherheit bieten, sondern Rechts- und Planungssicherheit in vielen Gebieten. Nach Vorliegen der Verhandlungsergebnisse wird abzuwägen sein, ob die Bindungen der Schweiz an gewisse Entwicklungen («dynamische Rechtsübernahme») verhältnismässig sind und das ganze Vertragswerk insgesamt befriedigt. So, wie das Verhandlungsmandat nun definiert ist, sehe ich viele Chancen bei berechenbaren Risiken. Diese Haltung habe ich auch in der Arena vom 15. März 2024 vertreten. Damit stütze und vertrete ich auch die Haltung der Kantone, einschliesslich derjenigen des Zuger Regierungsrates, die in der Stellungnahme der Konferenz der Kantonsregierungen zum Ausdruck kommt. Ebenso hat die FDP diese Stossrichtung bisher unterstützt.

Stärkung des Jugendurlaubs: Wichtige Rahmenbedingung für Freiwilligenarbeit

Das Schweizer Volk hat vor zwölf Jahren die Initiative «6 Wochen Ferien für alle» klar abgelehnt. Nun hat das Parlament einer zusätzlichen unbezahlten Ferienwoche (Motionen zur Stärkung des Jugendurlaubs) zugestimmt, aber eben nicht für alle, sondern gezielt für junge Erwachsene, die ehrenamtlich in der Jugendarbeit in einer kulturellen oder sozialen Organisation tätig sind. Dieser sogenannte Jugendurlaub ermöglicht heute eine Woche, in Zukunft zwei Wochen Zeit für die in den Jugendorganisationen tätigen Ehrenamtlichen, zum Beispiel für Jugendlager oder Jugend+Sport-Wochen. Meiner Überzeugung, dass freiwilliges Engagement immer bedeutender wird, konnte ich in meinem Votum als Kommissionssprecher Ausdruck geben. Diese Unterstützung zahlt sich aus: Die freiwillig Engagierten können ihre Kompetenzen aus der Jugendarbeit auch auf beruflicher Ebene einsetzen.

Künstliche Intelligenz braucht intelligente Gesetzgebung

Immer häufiger lesen wir von Anwendungsbeispielen künstlicher Intelligenz (KI). Und es wir uns unheimlich zumute, weil vor Kurzem noch Unvorstellbares möglich wird, gleichzeitig nicht transparent wird, wer hier wie agiert. Die EU versucht, mit einem AI-Act (AI = Artificial Intelligence) auf regulatorischem Weg den Herausforderungen gerecht zu werden. Auch der Bundesrat hat einen Auftrag zur Prüfung regulatorischer Ansätze erteilt. Mein Postulatsvorschlag ist es, eine sogenannte agile oder experimentelle Gesetzgebung zu prüfen. Es soll ein gesetzlicher Spielraum für Entwicklung und Anwendungen für Künstliche Intelligenz geschaffen werden: In einem gewissen Rahmen soll KI testweise möglich werden, bevor wir definitiv wissen, wie wir diesen Bereich regulieren möchten. Die Idee zu diesem Vorschlag hat im Rahmen eines Workshops von Expedition Zukunft, einer Werkstatt für politische Kollaboration, schon hohe Zustimmung erfahren.

Schweizer Wein: Trinken statt staatlich subventionieren

Regionale Eigenheiten prägen oft das Bundeshaus. So kommen regelmässig Vorstösse aus der Westschweiz zur Förderung des Schweizer Weins. In dieser Session beschäftigten wir uns mit Vorschlägen wie eine Klimareserve für Schweizer Wein, eine erleichterte Wiederbepflanzung von ehemaligen Rebflächen und eine verstärkte Absatzförderung für Schweizer Wein. Und vielleicht nicht ganz lud wenige Tag zuvor der Kanton Neuenburg zu einem Apéro ein mit Neuenburger Spezialitäten, darunter einigen feinen Weinen. Alle diese Vorschläge wurden vom Ständerat angenommen. Mit der Minderheit bin ich dagegen der Auffassung, dass das produzierende und handelnde Gewerbe diese Produkte eigenverantwortlich vermarkten soll, ob es nun um Wein, Bündnerfleisch oder Fondue geht, ohne dass der Staat noch zusätzlich subventioniert. Vorbildlich hier das Beispiel Restaurant Rössli in Oberägeri, geführt von der Präsidentin von Gastro Zug mit ihrem Ehemann: Auf der Weinkarte finden sich ausschliesslich Schweizer Weine in einer herrlichen Vielfalt.

Rege Aktivität ausserhalb des Ständeratssaals

Wie eingangs erwähnt: Die Session des Ständerates war nicht überlastet. Das gibt Gelegenheit, Netzwerke zu pflegen, Ideen zu entwickeln und parlamentarische Aufgaben ausserhalb des Bundeshauses (z.B. die Organisation parlamentarischer Gruppen, die Mitwirkung in Beiräten) zu pflegen. In dieser Session hatte ich nicht weniger als zwanzig Besprechungen und war an rund zehn Veranstaltungen präsent, wovon ich bei fünf eine Mitverantwortung in deren Organisation hatte. Meine Schwerpunkte hier waren: Wissenschaft, Forschung und Innovation sowie Kultur. Dieses Engagement ausserhalb des Bundeshauses gehört auch zu meiner Arbeit als Parlamentarier.

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