#StänderatMichel – Politik und Anekdoten

Tempo und Timing sind in Bundesbern unterschiedlich: Bei der Förderung erneuerbarer Energien geht es hier nicht so schnell vorwärts, wie es der Ersatz von fossilen Energiequellen oder importiertem Atomstrom gebieten würde. Schnell waren die Räte jedoch bei der Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur CS-Affäre: Die PUK ist beauftragt und besetzt. Wiederum eine längere Verfahrenszeit hat eine Zuger Standesinitiative hinter sich: Vor fünf Jahren begann das Ringen dafür, dass junge Mütter ohne Benachteiligung ihr Parlamentsmandat ausüben können.

Samstagsgespräch

Am Samstag, 24. Juni, von 11–12 Uhr, lade ich ein zum Samstagsgespräch mit Aktuellem und Anekdoten aus der Session. Im Siehbachsaal (Chamerstrasse 33, Zug) berichte ich von den Geschäften, Abstimmungen und Ereignissen. Danach ist das Samstagsgespräch offen für Fragen und Diskussionen unter den Teilnehmenden.

Späte Würdigung von Elisabeth Kopp

Zu Beginn der Session gedenkt der Rat der verstorbenen Bundesrätin Elisabeth Kopp. Die Worte der Ständeratspräsidentin sind mehr als eine Würdigung ihrer Verdienste. Sie bringt zum Ausdruck, wie hart die unter hohem politischen und medialen Druck zurückgetretene Bundesrätin angegangen worden ist. Heute wird sie als progressive Stimme in gesellschaftspolitischen Fragen gewürdigt, als Eisbrecherin für die Rolle der Frau in der Schweizer Politik oder als Pionierin in Fragen des Umweltschutzes. Die Ständeratspräsidentin schliess mit: «Heute wird uns bewusst, wie wichtig Elisabeth Kopp für die Schweizer Politik war, was sie für unseren Staat und unsere Gesellschaft leistete und symbolisierte und was für eine menschliche Tragik mit ihr verbunden ist.»

PUK: institutionelle Verantwortung statt Skandalisierung

Beide Räte haben in dieser Session fast einstimmig der Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission zugestimmt. Diese soll die Verantwortlichkeiten der Behörden und Organe rund um die Credit-Suisse-Notfusion mit der UBS untersuchen. Mit der Geschäftsprüfungskommission, die ich für den Ständerat präsidiere, haben wir wichtige Vorbereitungsarbeiten geleistet. Angesichts der Tragweite dieser Vorkommnisse erscheint eine PUK unausweichlich. Zu recht warnen verschiedene Stimmen, zu viel zu erwarten: Die PUK kann nicht eine Bank direkt untersuchen. In meinem Votum wehre ich mich dagegen, dass bereits heute einige Behörden vorverurteilt werden: Das Problem hat eine private Bank verursacht, nicht die Behörde. Deshalb besteht auch kein Anlass, von einem Versagen der Behörde oder einem Behördenskandal zu sprechen. Anlass für die PUK ist einzig, «wenn Vorkommnisse von grosser Tragweite der Klärung bedürfen», wie es das Gesetz sagt. Deshalb gehört es zu unserer institutionellen Verantwortung, dieses Mittel der parlamentarischen Oberaufsicht nun zu ergreifen.

Zuger Pionierinnen

In jeder Session behandeln wir auch Standesinitiativen. Das sind Initiativen von einzelnen Kantonen; sie haben selten Erfolg. Nun aber schon: Eine Zuger Standesinitiative, unterstützt durch drei andere Kantone, verlangt, dass Frauen auch nach der Geburt eines Kindes ihr politisches Mandat in Parlamenten von Bund, Kantonen und Gemeinden ausüben können, ohne dadurch ihre Ansprüche auf Mutterschaftsentschädigung aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit zu verlieren. Dieses wichtige und berechtigte Anliegen, das vor fünf Jahren von den Zuger Kantonsrätinnen Anna Bieri und Barbara Häseli gestartet worden ist, hat in Bundesbern Erfolg. In meinem Votum erinnere ich an diese Pioniertat.

Stromversorgung bleibt auslandabhängig

Im letzten Herbst überraschte die Dynamik im Ständerat: Unter dem Schlagwort «Solarexpress» wurde die Bewilligungsfähigkeit grösserer Solaranlagen in den Alpen massiv verbessert. Diese Dynamik geht nicht gleich weiter: Beim sogenannten Mantelerlass erneuerbare Energien verzichtet der Ständerat weitgehend auf eine Solarpflicht bei Gebäuden und Parkplätzen. Und auch von Vorgaben an Stromversorger, um den Druck auf die Energieeffizienz zu erhöhen, will die Mehrheit nichts wissen. Ich finde, dass das Potenzial an Möglichkeiten in der Schweiz damit nicht ausgeschöpft ist, womit wir nach wie vor zu stark von Stromimporten abhängig bleiben. «Ein Schritt vorwärts, ein Schritt zurück», titelt swisscleantech zu Recht. Ebenso bleibe ich in der Minderzeit bei der Biodiversitätsvorlage: Die Initiative geht klar zu weit, hingegen wäre für mich der Gegenvorschlag des Bundesrates akzeptabel gewesen, wie im Übrigen auch nach Meinung der Kantonsregierungen: Eine langfristig ausgerichtete Energie- und Nahrungsmittelproduktion ist angewiesen auf eine intakte Umwelt.

Wirksam oder beliebt?

Wer ist die die schnellste Schweizerin, wer die innovativste Nation, wer der bekannteste Politiker? Vergleiche und Rankings sind an der Tagesordnung. Unter der Bundehauskuppel wird zuweilen gemessen, wer die meisten Vorstösse (Motionen, Postulate, parlamentarische Initiativen, Interpellationen) einreicht oder die wenigsten. Die letzteren werden von Watson als «die Faulsten» bezeichnet. Die Quantität erachte ich nicht als massgebend, vielmehr die Qualität. Und diese zeigt sich darin, ob man die eigenen Vorstösse auch durchbringt. Lieber wenig, dafür wirksam, ist auch mein Credo. Entsprechend freut es mich, dass ich bereits in der ersten Legislatur mit dem zweiten Platz der Zentralschweizer Parlamentsmitglieder gut abschneide. Dass viele nur die Rangliste sehen und weniger, um was es geht, zeigt ein Echo auf meine Rangierung: Ich sei offenbar der zweitbeliebteste Parlamentarier, hörte ich. Das liess mich schmunzeln, ging es doch nicht um Popularität, sondern um Wirksamkeit.

Systemfehler bei der Prämienentlastungsinitiative

Gesundheitskosten sind ein Dauerthema. Wenn Prämien steigen, sind Initiativen, wie diejenige der SP, die eine milliardenschwere Zusatzsubvention zur Reduktion der Krankenkassenprämien zur Folge haben, scheinbar attraktiv. Doch es ist immer Symptombekämpfung: Der Staat würde die Verteuerung des Gesundheitswesen stetig mitfinanzieren. Auch der Gegenvorschlag des Bundesrates krankt an diesem konzeptionellen Fehler. Kantone, wie auch der Kanton Zug, die ihre Hausaufgaben gemacht und unterdurchschnittliche Prämien haben, würden zu teureren Mehrausgaben zulasten der Steuerzahler gezwungen. Diesen Mechanismus lehne ich ab – in Übereinstimmung mit dem Zuger Regierungsrat. Allerdings hat dies eine Mehrheit im Ständerat anders gesehen.

Figaro Roberto

Mit den Jahren schleichen sich Rituale ein, auch in Bern. Dazu gehört, dass ich halbjährlich zum Coiffeur Roberto gehe; Roberto ist ein Barbiere aus der Provinz Molise, seit langem in Bern und verheiratet mit einer Schweizerin. Dies erlaubt mir, Reiseerinnerungen aufzufrischen und in die Sprache einzutauchen. Das reine Italienisch ist bei seiner Anzeigetafel zwar etwas international geworden: «Coiffeur Italian Style». Mir ermöglicht es ein halbstündiges Italienischtraining. Damit verstehe ich unseren Tessiner Ständerat dann wieder besser, wenn er in seiner Muttersprache spricht; das kommt dann vor, wenn er sicher gehen will, das ihn die Tessiner Medien und damit seine Wählerschaft versteht.

Von Regulierungsbremsen und Kostentreibern

Es ist nicht einfach, wachsende Regulierung und Bürokratie zu bremsen. Unter dem Titel «Unternehmensentlastungsgesetz» wird ein neuer Versuch gemacht. Das wichtigste Element ist aus meiner Sicht die zentrale elektronische Plattform zur vereinfachten Abwicklung von Behördenleistungen. Hingegen hat der Ständerat nun eine von der FDP geforderte unabhängige Prüfstelle für Regulierungen abgelehnt. Die Mehrheit war der Überzeugung, dass es nicht mehr Organe und weitere Prozesse brauche. Das Regulierungsübel müsse an der Wurzel gepackt werden. Deshalb erstaunt es, wenn aus Kreisen der Mitte der Vorschlag kommt, der Bund müsse einen Benzinpreisrechner installieren, also ein Programm zum Vergleich von Benzinpreisen in der ganzen Schweiz. Das ist eine private Aufgabe, die der TCS mit dem Benzinpreis-Radar bereits erfüllt. In meinem Votum wende ich mich in erster Linie aus staatpolitischen, aber durchaus auch aus ökologischen Gründen gegen eine neue, unnötige Staatstätigkeit zulasten der Steuerzahler.

Provisorische und leere Ständeratssitze

Die 46 Ständeratssessel sind nicht immer besetzt. Nicht, weil ab und zu jemand abwesend wäre, sondern aus anderen Gründen. So bleibt ein Tessiner Sitz für ein halbes Jahr leer, weil man nach der Wahl der bisherigen Ständerätin Carobbio in den Tessiner Regierungsrat nicht kurz vor den Gesamterneuerungswahlen im Herbst noch einen speziellen Wahlgang organisieren wollte. Ein anderer Sitz, nämlich derjenige von Appenzell Innerrhoden, war zwar nun drei Jahre lang besetzt, aber nur provisorisch. Was viele nicht mehr wussten: Wegen einer Wahlbeschwerde konnte die Bestätigung der rechtskräftigen Wahl von Ständerat Fässler (AI) erst jetzt erfolgen. Mit Schmunzeln wurde dem Appenzeller Kollegen zur Wahl vor fast vier Jahren gratuliert.

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